Der Bundesgerichtshof hat entschieden (Urteil vom 17.01.2017 Az. VI ZR 239/15), dass ein Schlichtungsantrag, der bei einer Schlichtungsstelle oder Gutachterkommission einer Ärztekammer gestellt wird, die Verjährung hemmt, und zwar auch dann, wenn der Arzt oder der hinter ihm stehende Haftpflichtversicherer der Durchführung des Schlichtungsverfahrens widersprechen.
Der klagende Patient war im Frühjahr 2007 von einer Zecke gebissen worden. Im Herbst 2007 litt er an Schmerzen im Knie und ging deshalb zu einem Orthopäden, der ihn bis in den Sommer 2008 wegen Reizzuständen im Knie behandelte. Im Juni 2008 wurde eine Borreliose diagnostiziert, die bereits zu einer Arthritis in allen Gelenken des Patienten geführt hatte. Am 15. Dezember 2011 stellte der Patient bei der Schlichtungsstelle der norddeutschen Ärztekammern einen Antrag auf Durchführung eines Schlichtungsverfahrens gegen den Orthopäden, um überprüfen zu lassen, ob dieser die Borreliose früher hätte erkennen und behandeln müssen. Die Teilnahme am Schlichtungsverfahren bei der Schlichtungsstelle der norddeutschen Ärztekammern ist freiwillig. Es findet nur statt, wenn sowohl der Arzt als auch die zuständige Haftpflichtversicherung der Durchführung des Schlichtungsverfahrens zustimmen. Der Orthopäde erteilte im Februar 2012 seine Zustimmung, seine Haftpflichtversicherung teilte im April 2012 mit, dass sie die Zustimmung verweigere, weil mögliche Ansprüche des Patienten zum Jahresende 2011 bereits verjährt seien.
Der Patient erhob im Herbst 2012 Klage, die am 23.10.2012 beim Orthopäden zugestellt wurde. Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht wiesen die Klage mit der Begründung ab, dass mögliche Ansprüche verjährt seien: Die Verjährungsfrist habe im Sommer 2008 begonnen, als der Patient erfahren habe, dass seine Beschwerden im Knie nicht auf Reizzustände, sondern auf die Borreliose zurückzuführen seien. Da die Schlichtungsstelle der Ärztekammern keine staatlichen Gütestellen sei, werde die Verjährung durch ihre Anrufung nur gehemmt, wenn das Schlichtungsverfahren im Einvernehmen beider Parteien betrieben werde. Das ergebe sich aus § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB. Da die Haftpflichtversicherung des Orthopäden ihre Zustimmung zur Durchführung des Schlichtungsverfahrens verweigert habe, liege dieses Einvernehmen nicht vor. Der Schlichtungsantrag habe daher die Verjährung nicht gehemmt. Damit waren mögliche Ansprüche im Zeitpunkt der Klageerhebung bereits verjährt gewesen.
Gegen diese Entscheidung des Oberlandesgerichts legte der Patient Revision ein. Der Bundesgerichtshof hat daraufhin festgestellt, dass Verjährung bei Klageerhebung – anders als die Vorinstanzen entschieden hatten – noch nicht eingetreten war: Es sei grundsätzlich richtig, dass die Verjährung durch einen Schlichtungsantrag nur gehemmt werde, wenn zwischen den Parteien Einvernehmen über die Durchführung des Schlichtungsverfahrens bestehe. Allerdings sei gem. § 15a Abs. 3 EGZPO immer von einem Einvernehmen auszugehen, wenn ein Verbraucher eine branchengebundene Gütestelle anrufe. Die Schlichtungsstellen der Ärztekammern seien solche branchengebundenen Gütestellen, der Patient sei Verbraucher. Der Schlichtungsantrag vom 15.12.2011 habe daher unabhängig von der Zustimmung des Orthopäden oder seiner Haftpflichtversicherung zu einer Hemmung der Verjährung geführt. Die Verjährung sei bis zum Ablauf des 23.10.2012 gehemmt gewesen. An diesem Tag sei die Klage des Patienten dem Orthopäden zugestellt worden, also gerade noch rechtzeitig.
Dass die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens bei den Ärztekammern den Lauf der Verjährungsfrist hemmt, wenn alle Beteiligten zustimmen, ist seit langem anerkannt und vom Bundesgerichtshof auch mehrfach bestätigt worden. In den Fällen, in denen der Ablauf der Verjährungsfrist unmittelbar bevorstand, war nach dieser Rechtsprechung die Einleitung eines Schlichtungsverfahrens riskant, weil die Hemmung der Verjährung davon abhing, dass die Gegenpartei zustimmte. Ohne diese Zustimmung keine Hemmung. So hatten auch das Land- und das Oberlandesgericht entschieden. Neu an diesem Urteil des Bundesgerichtshofs ist, dass die Hemmung der Verjährung durch einen Schlichtungsantrag bei den Schlichtungsstellen der Ärztekammern unabhängig davon eintritt, ob die Behandlerseite zustimmt oder nicht. Da die Hemmung der Verjährung durch einen Schlichtungsantrag gem. § 204 Abs. 2 BGB noch sechs Monate nach Beendigung des Schlichtungsverfahrens anhält, kann man in derartigen Fällen jetzt risikolos einen Schlichtungsantrag stellen und hat auch dann, wenn die Behandlerseite ihre Zustimmung verweigert und das Schlichtungsverfahren deshalb nicht stattfindet noch sechs Monate Zeit um Klage zu erheben oder die Verjährungsfrist auf anderem Wege zu hemmen.