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Ansprüche bei verspäteter Krebsdiagnose

Welche Ansprüche ein Patient bei verspäteter Krebsdiagnose hat, ist oft schwierig zu klären. Ein Urteil des Landgerichts Dortmund vom 17.03.2016, Az. 4 O 210/11, macht dies deutlich und setzt sich darüber hinaus mit der Frage auseinander, wer Vertragspartner der Patientin bei der Durchführung des Mammographie-Screenings ist.
Die Patientin hatte 2007 am Mammographie-Screening teilgenommen. Es handelt sich dabei um eine Vorsorgeuntersuchung, die von spezialisierten Ärzten durchgeführt wird und die durch ein von der Bundesregierung 2005 aufgelegtes Programm in Deutschland eingeführt worden ist. Die Durchführung des Screenings ist in der Krebs-Früherkennungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses geregelt. Danach werden die Untersuchungen von Screening-Einheiten durchgeführt, die von einem programmverantwortlichen Arzt geleitet werden und die aus Mammographie-Einheiten und Abklärungseinheiten bestehen, die die Mammographien auswerten (§ 11 Krebsfrühererkennungs-Richtlinie).

Die Mammographie vom September 2007 wurde als unauffällig befundet. Im April 2008 tastete die Patientin in der linken Brust einen Knoten. Es wurde ein 3,5 cm großes Malignom diagnostiziert. Der Tumor wurde operativ entfernt, an die Operation schloss sich eine Chemotherapie und eine Bestrahlung an. Letztlich verstarb die Patientin an den Folgen der Krebserkrankung.

Ihre Hinterbliebenen hatten ein Schmerzensgeld in Höhe von EUR 70.000,- für die von ihr erlittenen Beeinträchtigungen gefordert. Verklagt hatten sie den programmverantwortlichen Arzt der Screening-Einheit sowie einen Gynäkologen und einen Radiologen, die die Mammographie aus dem September 2007 befundet hatten. Der vom Gericht beauftragte Sachverständige wies nach, dass die Mammographie falsch befundet worden war: Der Tumor war bereits im September 2007 erkennbar, der Brustkrebs hätte bereits zu diesem Zeitpunkt erkannt werden müssen. Das hat das Gericht als einen Diagnosefehler bewertet.

Allerdings stellte der Sachverständige auch fest, dass es weder sicher noch überwiegend wahrscheinlich sei, dass sich bei einer rechtzeitigen Diagnose der Krebserkrankung an der Behandlung oder am Verlauf der Erkrankung irgend etwas geändert hätte. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass die Patientin auch bei einer Diagnose im September 2007 die gleichen Belastungen zu ertragen gehabt hätte. Es könne auch nicht gesagt werden, ob sie bei einem früheren Beginn der Behandlung nach rechtzeitiger Diagnose länger gelebt hätte. Eine Beweislastumkehr für den Ursachenzusammenhang zwischen Behandlungsfehler und Gesundheitsschaden, die dazu geführt hätte, dass sich diese Unsicherheiten zu Lasten der beklagten Ärzte ausgewirkt hätten,  lehnte das Gericht ab. Damit blieben nur die psychischen Beeinträchtigungen der Patientin, die nicht aus der Krebserkrankung, sondern aus dem Wissen um die verspätete Diagnose resultierten als Schaden, der nachweislich auf die verspätete Diagnose zurückgeführt werden konnte. Für diese sprach das Gericht den Erben der Patientin ein Schmerzensgeld in Höhe von EUR 2.500,- zu. Im übrigen wurde die Klage abgewiesen.

Das Gericht geht in der Begründung davon aus, dass zwischen dem programmverantwortlichen Arzt und der Patientin ein Behandlungsvertrag zustande kommt. Mit dieser Begründung hat das Gericht auch den programmverantwortlichen Arzt, der die Patientin weder gesehen, noch die Mammographie befundet hatte, verurteilt, das ausgeurteilte Schmerzensgeld an die Hinterbliebenen zu zahlen.

Verspätete Krebsdiagnosen sind ein typischer Behandlungsfehler. Der vom Landgericht Dortmund entschiedene Fall, zeigt deutlich, warum es für die betroffenen Patienten in diesen Fällen so schwer ist, Ansprüche durchzusetzen: Der Verlauf einer Krebserkrankung ist nicht vorhersagbar, so dass Sachverständige keine sichere Aussage dazu machen können, welchen Verlauf die Erkrankung genommen hätte, wenn sie rechtzeitig erkannt worden wäre. Häufig ist es so, dass zumindest die Möglichkeit besteht, dass der Verlauf der gleiche gewesen wäre. Da die Beweislast dafür, dass der Behandlungsfehler zu einem Gesundheitsschaden geführt hat, grundsätzlich beim Patienten liegt, wirkt sich diese Unaufklärbarkeit zu seinen Ungunsten aus. Etwas anderes gilt nur, wenn es zu einer Beweislastumkehr kommt.