Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in einem Beschluss vom 15.12.2015 (Az. VI ZR 557/15) mit der Frage befasst, inwieweit Ärzte, die kosmetische Operationen durchführen, sich damit auseinandersetzen müssen, ob bei ihren Patienten schwerwiegende psychische Störungen vorliegen, die die eigentliche Ursache für den Wunsch des Patienten nach einer Schönheitsoperation sind.
In dem vom BGH entschiedenen Fall war die Patientin in psychiatrischer Behandlung gewesen, weil sie sich aggressiv gegen sich selbst verhalten hatte und sich dabei entstellende Narben an Armen und Beinen zugefügt hatte. Bei Beginn der Behandlung hatte die damals 29-jährige Patientin einen Fragebogen ausgefüllt, in dem u.a. nach überschießender Narbenbildung befragt worden war. Darin hatte sie angegeben, dass sie dazu neige. Bei ihr ist dann ein Stirnlift durchgeführt worden, der zweimal korrigiert werden musste. Die Patientin hatte sich zunächst an die Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen gewandt, die der Meinung war, dass die Patientin aufgrund des bei ihr diagnostizierten body dysmorphic disorder (BDD) nicht hätte geliftet werden dürfen. Auch der behandelnde Arzt der klagenden Patientin bestätigte dies. Eine außergerichtliche Einigung kam nicht zustande, die Patientin klagte. Landgericht und Kammergericht wiesen die Klage zurück. Der vom Gericht befragte Sachverständige, ein plastischer Chirurg, stellte fest, dass bei schweren Formen von BDD oder anderen psychischen Störungen eine kosmetische Operation nicht durchgeführt werden dürfe. Allerdings könne sich bei leichten Verlaufsformen eine kosmetische Operation durchaus hilfreich auswirken. Kosmetische Operationen seien daher bei Patienten mit psychischen Störungen nicht generell unzulässig. Es stelle zwar eine grobe Fahrlässigkeit dar, dass der beklagte Chirurg die klagende Patientin nicht untersucht habe und deshalb auch die Narben an Armen und Beinen nicht gesehen hatte, er hätte sie aber auch dann operieren dürfen, wenn er die Narben entdeckt hätte, weil bei der Patientin nur eine leichte Form von BDD vorlag. Dem folgten Land- und Kammergericht in der Begründung ihrer klageabweisenden Urteile.
Der BGH hob diese Entscheidungen auf und verwies den Rechtsstreit zurück an das Kammergericht: Das Gericht hätte den Widerspruch zwischen der Aussage der Schlichtungsstelle, wonach eine so schwerwiegende psychische Störung bei der Klägerin vorgelegen hatte, und der Aussage des vom Gericht bestellten Sachverständigen, wonach nur eine leichte Verlaufsform von BDD bei der Klägerin vorlag, aufklären müssen. Da dies nicht geschehen sei, beruhe das Urteil des Kammergerichts auf einer fehlerhaften Anwendung des Rechts. Für die Fortsetzung des Prozesses gab der BGH den Richtern in Berlin mit auf den Weg, dass der Sachverständige sich in jedem Fall zu den Aussagen in den Leitlinien der ärztlichen Fachgesellschaften, die sich mit kosmetischen Operationen befassen und die in dieser Frage eher restriktiv sind, äußern soll.
Mit dieser Entscheidung betont der BGH die Sorgfaltspflichten von plastischen Chirurgen bei kosmetischen Operationen von psychisch kranken Patienten. Nach derartigen Erkrankungen ist gezielt zu fragen, liegt eine derartige Erkrankung vor, muss sich der plastische Chirurg damit auseinandersetzen, ob der Patient operiert werden kann oder nicht. Ist dies nicht der Fall, muss er die Durchführung der kosmetischen Operation ablehnen. Rechtlich ist das Urteil von Interesse, weil der BGH die vom Kammergericht vorgenommene Beweiswürdigung als unvollständig und damit rechtsfehlerhaft bewertet, weil das Kammergericht ohne ausreichende Würdigung der Aussagen aus dem Schlichtungsverfahren und des behandelnden Arztes allein den Aussagen des vom Gericht bestellten Sachverständigen gefolgt war.