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Wie man einen Arzthaftungsprozess führt

Üblicherweise werden Arzthaftungsprozesse so geführt, dass ein Schmerzensgeld eingeklagt wird und sich der Kläger wegen aller anderen Schadenpositionen zunächst auf eine sogenannte Feststellungsklage beschränkt. Das führt dazu, dass das Gericht erst einmal nur klären muss, ob ein Behandlungsfehler vorliegt, ob dieser zu einem Gesundheitsschaden geführt hat und in welcher Höhe der Patient dafür Schmerzensgeld verlangen kann. Wenn es nicht vollkommen unwahrscheinlich ist, dass es wegen der Folgen des Behandlungsfehlers auch in der Zukunft zu Schäden kommt, erlässt das Gericht das beantragte Feststellungsurteil.

Diese Vorgehensweise führt dazu, dass der Patient im Erfolgsfall mit der Haftpflichtversicherung des Arztes nach Abschluss des Prozesses nicht mehr darum streiten muss, ob ein Haftungsfall vorliegt oder nicht. Welche Schadenersatzansprüche er über das vom Gericht im Urteil zugesprochene Schmerzensgeld hinaus fordern kann, kann er nach Verfahrensabschluss außergerichtlich klären. Da durch das vom Gericht erlassene Feststellungsurteil bereits festgestellt worden ist, dass die grundsätzliche Verpflichtung besteht Schadenersatz zu leisten, gelingt es im Normalfall auch tatsächlich, diese Fragen ohne die Hilfe eines Gerichts zu klären.

Allerdings ist eine Feststellungsklage nach der ursprünglichen Absicht des Gesetzgebers nur für zukünftige Schäden zulässig, die bei Erhebung der Klage noch nicht beziffert werden können. Mit dieser Begründung hat das Oberlandesgericht Oldenburg die Feststellungsklage eines aufgrund von Fehlern bei der Geburt schwer behinderten Kindes teilweise zurückgewiesen. Bei Erhebung der Klage war das Kind bereits sechs Jahre alt. Das Kind hatte mit der Klage – wie allgemein üblich – ein Schmerzensgeld und wegen aller anderen Schadenpositionen die Feststellung der Schadenersatzpflicht des Krankenhausträgers verlangt. Das beantragte Feststellungsurteil sollte sich auch auf die bereits in der Vergangenheit entstandenen Schäden beziehen. Die Oldenburger Richter waren der Auffassung, dass das Kind und seine Rechtsanwälte verpflichtet gewesen wären, alle Schadenpositionen, die in der Vergangenheit entstanden waren, konkret Schadenersatz zu verlangen. Diese Schäden seien bei Klageerhebung bezifferbar gewesen. Ein Feststellungsurteil hatte das Oberlandesgericht daher nur für die Schäden erlassen, die bei Erhebung der Klage noch nicht zu beziffern waren.

Diese Auffassung würde dazu führen, dass die Gerichte in derartigen Prozessen nicht nur über die Frage des Behandlungsfehlers und seiner Folgen entscheiden müssten, sondern auch über alle anderen bis zur Klageerhebung entstandenen Ansprüche. Bei behinderten Kindern sind das zum Beispiel der Umfang des von den Eltern zu leistenden Betreuungsmehrbedarfs, Aufwendungen für den Umbau eines Autos oder eines Hauses, Fahrtkosten zu Therapien. Ob diese und andere Ansprüche berechtigt sind, kann häufig nur durch Einholung weiterer Gutachten geklärt werden. Dadurch würden diese Gerichtsverfahren noch komplizierter, langwieriger und teurer als sie es jetzt schon sind.

Im Fall des Kindes aus Oldenburg hat der Bundesgerichtshof der Auffassung des Oberlandesgerichts Oldenburg eine Absage erteilt (Urteil vom 19.04.2016, Az. VI ZR 506/14):

Der Bundesgerichtshof betont, dass aus Gründen der rationellen und wirtschaftlichen Prozessführung eine Feststellungsklage für alle Schadenspositionen zulässig sei, auch für diejenigen, die bei Klageerhebung bereits bezifferbar waren, wenn die Möglichkeit besteht, dass es nach Klageerhebung und nach Abschluss des Verfahrens zu weiteren Schäden kommt. Der Bundesgerichtshof hat deshalb zugunsten des klagenden Kindes ein vorbehaltloses Feststellungsurteil erlassen, mit dem die Schadenersatzpflicht des Krankenhausträgers für alle weiteren Schäden des Kindes festgestellt wurde.

Arzthaftungsprozesse können daher weiter so geführt werden, wie es bisher üblich war und sinnvoll ist.