Wer von beiden Eltern bei der Behandlung von Kindern die Einwilligung erteilen muss und in welchem Ausmaß die behandelnden Ärzte bei diesem Punkt nachfragen müssen, hat das OLG Hamm in einem Urteil vom 29.09.2015 ausführlich begründet.
Eigentlich ist diese Frage einfach zu beantworten. Das Gesetz regelt in §§ 1627, 1629 BGB, dass die Eltern, solange sie die elterliche Sorge gemeinsam ausüben, dies einvernehmlich tun sollen. Die Vertretung des Kindes nach außen erfolgt gemeinschaftlich, das heißt, nur beide Eltern gemeinsam können das Kind wirksam vertreten. Das OLG Hamm hatte in seinem Urteil vom 29.09.2015 (Az. 26 U 1/15) über einen tragischen Fall zu entscheiden: Ein einjähriges Kind sollte operiert werden, um eine Gewebeprobe aus dem Darm zu entnehmen. Damit sollte eine Darmerkrankung diagnostiziert werden. Das Aufklärungsgespräch wurde drei Tage vor der Operation mit der Mutter geführt. Der Vater war dabei nicht anwesend. Die Mutter des Kindes unterzeichnete nach dem Aufklärungsgespräch einen schriftlichen Aufklärungsbogen und bestätigte mit ihrer Unterschrift, dass auch der Vater in die Operation und die Narkose eingewilligt habe. Bei der Einleitung der Narkose kam es zu einer Sauerstoffunterversorgung des Kindes, die zu schwerwiegenden Schädigungen führte. Das Kind starb zwei Jahre später.
Die Eltern, die als Erben des verstorbenen Kindes gegen die Klinik klagten, begründeten ihre Klage unter anderem damit, dass die Operation des Kindes rechtswidrig gewesen sei, weil der Vater des Kindes nicht eingewilligt habe.
Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Behandlungsfehler hatten sich bei der Überprüfung durch einen Sachverständigen nicht nachweisen lassen. Die Anästhesisten traf an der Sauerstoffunterversorgung keine Schuld. Soweit es die Frage der Einwilligung in die Narkose betreffe, gelte folgendes:
- Grundsätzlich müssten beide Eltern nach Aufklärung in die Behandlung des Kindes einwilligen, weil sie das Kind gemeinschaftlich vertreten.
- Allerdings dürfe der Arzt bei einer Routinebehandlung ohne weiteres davon ausgehen, dass beide Eltern in die Behandlung des Kindes einwilligen, wenn tatsächlich nur ein Elternteil zustimmt.
- Bei schwerwiegenderen Eingriffen mit nicht unbedeutenden Risiken sei es ebenfalls zulässig, dass nur ein Elternteil einwilligt, allerdings müsse der Arzt das anwesende Elternteil fragen, ob auch der andere Elternteil zustimmt. Werde diese Frage bejaht, dürfe der Arzt auf die Auskunft des anwesenden Elternteils vertrauen, weitergehende Nachforschungen müsse er nicht anstellen.
- Nur bei schwierigen und weit reichenden Entscheidungen – das OLG nennt als Beispiel die Herzoperation eines Kindes – müssen die Ärzte sich vergewissern, dass auch der andere Elternteil zustimmt. Praktisch heißt dass, das die Behandlung in diesen Fällen nur stattfinden kann, wenn beide Eltern mit ihrer Unterschrift in die Behandlung ihres Kindes einwilligen
Wie die Risiken bei der Operation des Kindes zu bewerten waren, hat das Gericht sich vom Sachverständigen erläutern lassen. Danach waren mit der Operation zwar nicht unerhebliche Risiken verbunden, allerdings waren diese nicht so hoch, dass die Ärzte verpflichtet gewesen wären, sich die Zustimmung des Vaters des Kindes nachweisen zu lassen. Sie durften daher der Aussage der Mutter, wonach der Vater zugestimmt habe, vertrauen. Aus diesem Grund sei die von der Mutter zugleich im Namen des Vaters abgegebene Einwilligung wirksam.
Da ein Behandlungsfehler nicht nachgewiesen worden war und weil eine wirksame Einwilligung in die Operation vorlag, konnten die Eltern keinen Schadenersatz von der Klinik verlangen. Das Oberlandesgericht Hamm hat daher ihre Klage ebenso wie das Landgericht Bielefeld zurückgewiesen.