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Befunderhebungsfehler durch Nichtveranlassung einer externen Untersuchung?

Dreh- und Angelpunkt im Arzthaftungsprozess ist der Nachweis des Ursachenzusammenhangs zwischen Behandlungsfehler und Gesundheitsschaden. Das bedeutet, dass die Auslegung der gesetzlichen Regelungen für die Beweislastumkehr für diesen Ursachenzusammenhang für den Ausgang des Prozesses häufig entscheidend ist. Gemäß § 630h Abs. 5 Satz 2 BGB ist erste Voraussetzung für die Beweislastumkehr beim Befunderhebungsfehler, dass der Behandelnde die rechtzeitige Erhebung eines medizinischen Befundes unterlassen hat. Der Wortlaut des Gesetztes legt nahe, dass ein Befunderhebungsfehler nur dann in Frage kommt, wenn die behandelnde Person selbst die unterlassene Untersuchung hätte durchführen können und müssen. Das würde im Umkehrschluss bedeuten, dass ein zur Beweislastumkehr führender Befunderhebungsfehler nicht vorliegt, wenn der Fehler darin liegt, dass die behandelnde Person eine externe Untersuchung, die sie selbst nicht durchführen kann, nicht veranlasst.

Die Rechtsfigur des Befunderhebungsfehlers ist vom Bundesgerichtshof ursprünglich damit begründet worden, dass es unbillig sei, die Beweislast dafür, dass eine Erkrankung zu einem bestimmten Zeitpunkt schon vorgelegen habe, beim Patienten zu belassen, wenn der Arzt durch unzureichende Diagnostik die Voraussetzung dafür geschaffen habe, dass der Sachverhalt nicht aufgeklärt werden könne. Sieht man darin Sinn und Zweck der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu dieser Frage und ihr folgend der gesetzlichen Regelung des § 630h Abs. 5 Satz 2 BGB, so kann es keinen Unterschied machen, ob die unterlassene Diagnostik von der behandelnden Person selbst oder von einem Dritten hätte durchgeführt werden müssen, weil die Unaufklärbarkeit in beiden Fällen durch den behandelnden Arzt bzw. die behandelnde Ärztin herbeigeführt worden ist.

Diese Auffassung wird auch in einer Reihe von Gerichtsentscheidungen vertreten, wobei dieser Punkt in den Entscheidungsgründen nicht problematisiert wird:

  • Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 18.02.2009, Az. 4 U 1066/04: Der Patient litt an heftigen Schmerzen im Oberbauch, die sein Hausarzt als Gallenkolik deutete und entsprechend behandelte. Der Patient verstarb zwei Tage später, bei der Obduktion wurde festgestellt, dass Todesursache ein Herzinfarkt gewesen war. Das Thüringer Oberlandesgericht hat einen Befunderhebungsfehler in der Tatsache gesehen, dass der Hausarzt den verstorbenen Patienten nicht zur Abklärung der Ursachen der Beschwerden in ein Krankenhaus eingewiesen hatte. Dort wäre der Herzinfarkt diagnostiziert und behandelt worden.
  • BGH, Urteil vom 21.01.2014, Az. VI ZR 78/13: Die klagende Patientin war mit einer Hirnvenenthrombose in ein kleineres Krankenhaus eingeliefert worden. Der dort tätige neurologische Konsiliararzt war mit den vor Ort zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht in der Lage, die korrekte Diagnose zu stellen und die Erkrankung wirksam zu behandeln. Dass er die Patientin nicht sofort zur Durchführung der notwendigen Untersuchungen in die Universitätsklinik hat verlegen lassen, hat der Bundesgerichtshof als Befunderhebungsfehler bewertet.
  • BGH, Urteil vom 24.02.2015, Az. VI ZR 106/13: Der an einer Psychose leidende Patient wurde von den behandelnden Psychiatern mit einem Medikament behandelt, zu dessen Nebenwirkungen eine Verlangsamung des Herzschlags zählt. Der Patient starb dann an den Folgen eines durch dieses Medikament verursachten Herzstillstandes. Es wäre notwendig gewesen, durch EKG zu kontrollieren, ob die Medikamentengabe bei diesem Patienten Auswirkungen auf die Herztätigkeit hatte. Diese Untersuchung hätten die Psychiater selbst durchführen können. Alternativ hätte der Patient deshalb an einen Internisten überwiesen werden können. Der Bundesgerichtshof hob die klagabweisenden Urteile der Vorinstanzen mit der Begründung auf, dass bisher nicht geklärt worden war, ob ein Befunderhebungsfehler vorlag. Dabei machte der Bundesgerichtshof keine Unterscheidung, ob das EKG von den Psychiatern selbst oder extern auf Veranlassung der Psychiater von einem Internisten hätte geschrieben werden müssen.

Diese unvollständige Liste von Entscheidungen zeigt, dass der Bundesgerichtshof davon ausgeht, dass ein Befunderhebungsfehler auch dann vorliegen kann, wenn der behandelnde Arzt die externe Durchführung einer notwendigen Untersuchung durch Dritte nicht veranlasst.