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Haftung in der Psychotherapie

Haftung in der Psychotherapie ist selten Gegenstand von Gerichtsurteilen. Das OLG Hamm hat am 11.11.2016 ein Urteil erlassen, in dem die Voraussetzungen, unter denen Psychotherapeuten sich ihren Patienten schadenersatzpflichtig machen können, dargestellt werden (Az. 26 U 16/16).

Die klagende Patientin befand sich für etwa eineinhalb Jahre in psychotherapeutischer Behandlung bei einer Psychologin, die bei Beginn der Behandlung etwa zwei Drittel ihrer Ausbildung zur Psychotherapeutin absolviert hatte. Bei Beginn der Therapie wurde vereinbart, dass die Sitzungen aufgezeichnet und dem Supervisor der beklagten Psychologin zugänglich gemacht werden sollten. Im Laufe der Therapie kam es bei der Patientin zu Selbstverletzungen und zu suizidalen Gedanken. Da sich keine Therapiefortschritte erreichen ließen, brach die Psychologin die Behandlung ab.

Die Patientin führte die Verschlechterung ihres Zustandes auf die Wahl einer ihrer Auffassung nach unzulässigen Therapiemethode, eine fehlerhafte Anwendung dieser Therapiemethode und die Umstände des Therapieabbruchs zurück. Darüber hinaus begründete sie ihre Ansprüche mit der Behauptung, sie sei weder über die Risiken noch über alternative Behandlungsmöglichkeiten aufgeklärt worden. Diesen Vorwürfen ist das Oberlandesgericht nachgegangen. Ein vom Gericht beauftragter Sachverständiger erläuterte dem Gericht, dass der Beklagten kein Behandlungsfehler vorzuwerfen sei. Die von ihr gewählte Behandlungsmethode sei zulässig gewesen und korrekt angewandt worden. Auch der Abbruch der Therapie sei nicht zu beanstanden, der Patientin seien dabei ausreichend Hilfs- und anderweitige Therapieangebote gemacht worden.

Das Argument der Klägerin, die Psychologin sei noch in der Ausbildung war nach Auffassung des Gerichts relevant, wirkte sich im Endeffekt allerdings nicht zugunsten der Klägerin aus. Das OLG Hamm wandte hier die aus dem Arzthaftungsrecht bekannte Regelung des § 630h Abs. 4 BGB und die dazu ergangene Rechtsprechung zum Thema Anfängeroperation an: Eine Operation oder sonstige Behandlung durch einen Berufsanfänger ist  zulässig, solange sie durch einen Facharzt überwacht wird. Hier war die Überwachung durch den vollständig qualifizierten Supervisor gegeben, dem die Tonaufzeichnungen der Sitzungen zugänglich gemacht wurden. Darin sah das OLG Hamm eine ausreichende Überwachung, wobei auch der Umstand, dass die Beklagte bereits zwei Drittel der Ausbildung zur Psychotherapeutin absolviert hatte, vom Gericht berücksichtigt wurde.

Auch die Aufklärungsrüge der Patientin wurde nach den aus dem Arzthaftungsrecht bekannten Regelungen beurteilt. Das Gericht stellt zunächst fest, dass bei Beginn einer Psychotherapie eine Aufklärung über die damit verbundenen Risiken – Misserfolgsrisiko, vorübergehende Verschlechterung der Beschwerden des Patienten – notwendig ist. Eine derartige Aufklärung war zwar nicht dokumentiert worden, die beklagte Psychologin hatte das Gericht aber in beiden Instanzen davon überzeugt, dass sie die Patientin über diese Risiken aufgeklärt hatte.

Grundsätzlich hält das Gericht auch die Aufklärung über Behandlungsalternativen notwendig. Allerdings hatte der Sachverständige dem Gericht erläutert, dass es bei der Behandlung der Klägerin keine gleichwertigen Behandlungsalternativen gegeben hatte.

Das Urteil ist eines der wenigen Gerichtsentscheidungen, die sich mit der Haftung in der Psychotherapie auseinandersetzen. Es macht deutlich, dass die Gerichte dazu tendieren, die bekannten Regeln aus dem Arzthaftungsrecht anzuwenden. Daraus folgt, dass das Gericht von einem Psychotherapeuten fordert, den Patienten bei Beginn der Behandlung über deren Risiken und eventuell bestehende Behandlungsalternativen aufzuklären. Dass eine Aufklärung erfolgt ist, hat der Psychotherapeut zu beweisen, weshalb es sich empfiehlt, die Aufklärung und die darauf gründende Einwilligung des Patienten schriftlich und damit beweissicher zu dokumentieren.