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BGH: Chefarzt muss bei Wahlleistungsvereinbarung selbst operieren

Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom 19.07.2016 (Az. VI ZR 75/15) entschieden, dass eine durch einen Oberarzt durchgeführte Operation rechtswidrig ist, wenn die Operation durch den Chefarzt zugesagt war und der Patient auch nur unter der Bedingung in die Operation eingewilligt hat, dass er vom Chefarzt operiert wird.

Der klagende Patient litt am Morbus Dupuytren, einer Erkrankung des Bindegewebes der Hand, durch die die Beweglichkeit der Hand eingeschränkt wird. Da er Privatpatient war, schloss er eine Wahlleistungsvereinbarung, durch die er Anspruch auf die Behandlung und vor allem die Operation durch den Chefarzt selbst hatte. Tatsächlich wurde die Operation aber von einem Oberarzt durchgeführt. Darüber war der Patient weder aufgeklärt worden noch hatte er sich sonst damit einverstanden erklärt. Nach der Operation kam es zu Problemen mit der operierten Hand. Der vom Landgericht bestellte Sachverständige war zu der Bewertung gekommen, dass ein Behandlungsfehler nicht vorlag. Die Probleme seien als schicksalhaft eingetretene Komplikation zu bewerten.

Die Beklagten verteidigten sich mit dem Argument, dass die Probleme mit der Hand genauso  aufgetreten wären, wenn der Chefarzt – wie vereinbart – die Operation durchgeführt hätte. Das Oberlandesgericht war dem gefolgt und hatte die Berufung mit einem Beschluss gem. § 522 ZPO zurückgewiesen: Es sei anzunehmen, dass die Komplikation auch bei einer Operation durch den Chefarzt eingetreten wäre. Zwar müsse dies grundsätzlich die Beklagtenseite beweisen, allerdings sei die entsprechende Behauptung der Beklagten in der ersten Instanz nicht bestritten worden. Dass der Kläger sie in der zweiten Instanz bestritten habe, sei verspätet und könne daher nicht beachtet werden.

 

Diese Entscheidung hat der Bundesgerichtshof in seinem Revisionsurteil aufgehoben. Es stehe fest, dass die Operation rechtswidrig erfolgt sei, weil der Patient nur einer Operation durch den Chefarzt persönlich zugestimmt habe. Der Einwand der Beklagten, die Komplikation wäre auch bei Operation durch den Chefarzt aufgetreten, sei in diesem Fall unzulässig: Wenn das Krankenhaus den Patienten nicht – wie verabredet und in Rechnung gestellt – durch den Chefarzt operieren lasse, habe es gegen den Behandlungsvertrag verstoßen und die Erwartung des Patienten, durch den Chefarzt persönlich operiert zu werden, enttäuscht. Dieser Vertragsverstoß dürfe nicht dadurch sanktionslos gemacht werden, dass man den Einwand zulasse, dass Komplikationen auch bei einer Operation durch den Chefarzt auftreten könnten. Deshalb hätte das Oberlandesgericht diesen Einwand der Beklagten nicht gelten lassen und die Berufung des Patienten nicht zurückweisen dürfen.

Diese Entscheidung ist in erster Linie für Privatpatienten relevant. Wenn sie im Krankenhaus – wie üblich – eine Wahlleistungsvereinbarung abschließen, aufgrund derer sie Anspruch darauf haben, vom Chefarzt operiert zu werden, ist eine Operation, die durch einen anderen Arzt durchgeführt wird, rechtswidrig, es sei denn, der Patient wird vorher darüber aufgeklärt und stimmt zu. Das ist nicht neu. Neu ist, dass der Bundesgerichtshof in diesen Fällen den Einwand der Behandlerseite, es hätte auch bei einer Operation durch den Chefarzt zu Komplikationen kommen können, für unzulässig erklärt. Damit sind alle Operationen, die nicht vom Wahlarzt durchgeführt worden sind, automatisch Haftungsfälle, es sei denn, der Patient hat in die Operation durch einen anderen Arzt eingewilligt.

Da es im Krankenhaus immer wieder zu nicht vorhersehbaren Notfällen kommt, aber auch, weil der Chefarzt häufig aufgrund von Urlaub, Krankheit oder der Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen nicht anwesend ist, stellt sich häufig das Problem, dass der Chefarzt für geplante Operationen, für die eine Wahlleistungsverenbarung geschlossen worden ist, nicht verfügbar ist. Hier eine rechtzeitige Aufklärung zu organisieren, ist fehleranfällig. Das Haftungsrisiko des Krankenhauses wird durch die Entscheidung des Bundesgerichshofs erhöht. Die Rechte des Patienten, der mit dem Abschluss der Wahlarztvereinbarung für zusätzliches Geld die persönliche Behandlung durch den Chefarzt eingekauft hat, werden dagegen gestärkt.